Fachartikel „Transformation der Gastronomie“
Die Transformation der Gastronomie: Digitale Sichtbarkeit, story telling und eine kuratierte Menükarte
Unsere Kommunikation, die Art wie wir Botschaften an unsere Dialoggruppen senden, verändert sich gerade radikal: die Auswahl eines Restaurants hängt immer stärker mit der digitalen Sichtbarkeit und dem richtigen Storytelling zusammen. Wer sich mit Food Trends, Longevity und dem anhaltenden Gesundheitstrend auseinandersetzt, weiß, dass Infos zu Nährwerten für die Gen Y und Gen Z immer wichtiger bei der Wahl des Restaurants werden. Der neue Gast ist Flexitarier und erwartet sich ein passendes Angebot. Eine große Herausforderung stellt die Kommunikation mit den neuen Gästen dar. Eine Analyse inklusive Tipps für mehr Sichtbarkeit des gastronomischen Angebots.
G‘schichteln & G‘richteln „Es geht um mehr, als einfach nur satt zu werden“, formuliert Cornelia Poletto1 so treffend. Die Spitzenköchin betreibt drei Restaurants in Hamburg und serviert ihren Gästen dabei mehr als nur ein Gericht. Sie vermittelt auch „die Geschichte des Produkts“. Der neue Gast überlässt nichts dem Zufall und setzt sich mit fixen Vorstellungen zu Tisch: bewusster Genuss und Transparenz auf dem Teller. Das betrifft sowohl die Kommunikation der Lieferanten, die bereits viele Gastronomiebetriebe fix in ihr story telling integriert haben, sowie die Nährwertangaben.
Wie ticken die Gäste von morgen? Neue Ernährungskonzepte, wie vegetarisch, vegan, flexitarisch, werden von immer mehr Menschen gelebt. Und dabei möchte man nicht auf gehobene Kulinarik verzichten. Food Trendexpertin Hanni Rützler2 bezeichnet diese Gruppe als „Veg Gourmets“. Als Gegentrend kommen Fleisch und Fisch mit Herkunftsnachweis auf die Speisekarte. Dabei werden alle Komponenten „from nose to tail“ verwertet (Stichwort: Innereien). Auch bei Gemüse und Obst wird nach dem „zero waste“ Konzept in der Küche gearbeitet.
Ein Besuch in der Gastronomie muss mit einem guten Gewissen – gegenüber Umwelt und Tierwohl – im Einklang stehen. Dazu zählen ein ressourcenschonender Umgang mit Lebensmitteln, regionale Lieferanten und kurze Lieferketten. Die Sehnsucht nach regionalen Lebensmitteln hat großes Gewicht bei der Kaufentscheidung der Gen Z (geb. 1995 – 2000) – 77 % sind bereit, mehr für Lebensmittel aus der Region zu bezahlen3.
Unter „Comfort Food“ versteht man Hausmannskost, die Erinnerungen weckt und in einer raffinierteren Variante oder in einer vegetarischen bzw. veganen Version auf den Teller kommt. Dieser Trend sowie die Lust auf ein „Casual Dinner“ spielen der Wirtshausküche in die Hände: Gerichte, die nostalgische Erinnerungen wecken sowie ein Verzicht auf steife Tischkultur. Die Gemütlichkeit steht im Fokus.
Der Gastronom als kulinarischer Kurator Der Gast hat eine hohe Erwartungshaltung und die Sehnsucht etwas „Besonderes“ zur erleben, das er digital auch „teilen“ kann. Wer heute den Weg in die Gastronomie auf sich nimmt und bereit sich Geld auszugeben, erwartet ein kulinarisches Konzept mit kuratierten Speisen inkl. Produkten, die Geschichten erzählen und einem passenden Interieur. Dabei übernimmt der Gastronom die Rolle eines Kurators: Zutaten und Getränke werden aufgrund von seiner Expertise ausgewählt bzw. verarbeitet. Besonderes Augenmerk könnte auf dem Getränkeangebot liegen: Limonaden und Biere
abseits der im Handel erhältlichen Marken, eine Weinkarte mit einem Mix aus gereiften Jahrgängen, Limited Editions und Neuentdeckungen sowie ein alkoholfreies Angebot machen das Essen zu einem Erlebnis.
Digitales Fremdbild – raus aus der Bubble! Wer nicht gefunden wird, wird bei der Auswahl nicht berücksichtigt. Die Gen Z hat weniger Budget zur Verfügung und recherchiert gerne, was geboten wird und welche Rezensionen es gibt. Wie sieht es mit Ihrer digitalen Sichtbarkeit aus? Betriebe, die seit Jahrzehnten mit Qualität und Service überzeugen, sind oft für zukünftige Gäste oder Touristen, online nicht zu finden. Wie die APA-Studie4 über die Gen Z (14 bis 29 Jahre) zeigt, fungieren die Social Media Plattformen bei 55 % der Genz Z als Nachrichtenquelle Nummer 1 Im Vergleich dazu sind Print-Tageszeitung an 7. Stelle mit 10,2 %. Die Schlussfolgerung: Ist ein Gastronomiebetrieb auf den Social Media Plattformen nicht aktiv, wird er von mehr als der Hälfte seiner zukünftigen Gäste nicht wahrgenommen.
To-Do’s der Gastronomie: Was ist also zu tun? Ein gut gewarteter Google Eintrag, Social Media Accounts mit relevantem Content, Online-Reservierung, Reels, Videos für TikTok und YouTube, WhatsApp Business, Koops mit InfluencerInnen, digitale Speise- und Getränkekarte sowie ein Newsletter sind einige der Maßnahmen, die unterstützen. Das Herzstück: ein unverwechselbares kulinarisches Konzept und auf den Punkt gebrachte Botschaften. Erfolgreich als Gastronom zu kommunizieren bedeutet, das eigene Profil zu kennen, regelmäßig zu schärfen, sowie klare Aussagen und ein uniques Erscheinungsbild zu kreieren. Es geht um die Schaffung einer starken Marke mit Wiedererkennungswert.
Limitierter Genuss: Das Comeback der Degustationsmenüs Wer mit den Digital Natives der Gen Z ins Gespräch kommt, merkt rasch, was zieht: Exklusivität ist King – limited Editions und personalisierte Produkte funktionieren bei Sneakers & Co. – und auch in der Gastronomie. In Verbindung mit der Sehnsucht nach dem Außergewöhnlichen sowie nach einer kulinarischen Weiterbildung erfüllen Formate wie Pop-ups und Degustationsmenüs alle Anforderungen für Aufmerksamkeit in dieser Zielgruppe.
Das gute alte Degu-Menü erlebt als gut kalkulierbare Pop-Up Veranstaltung ein Comeback: Wareneinsatz und Personalbedarf können gut geplant werden. Durch ein geschicktes Zusatzangebot an Specials wie Übernachtung, Getränkeupgrade oder einer Produktverkostung im Vorfeld, kann die Kasse gleich nochmals klingeln. Tipp: Degustationsmenüs bieten auch guten Content fürs Storytelling!
Chance für die Gastronomie: Das veränderte Konsumverhalten ist eine Chance, um die Bindung zu Gästen und LieferantInnen zu stärken. Im Vorteil sind diejenigen, die sich mit dem Gegenüber auseinandersetzen und ihre Angebote entsprechend designen, digital kommunizieren und keine Scheue vor einer Transformation haben.
Über die Autorin: Bernadette Steurer-Weinwurm, CEO diezwei marketing Die PR-Beraterin und Marketingstrategin ist seit 1995 in der Kommunikationsbranche tätig. Mit ihrem Agenturteam setzt sie sich intensiv mit Trends aus den Bereichen Food, Wein, Tourismus sowie Einkaufsverhalten auseinander. Der Fokus liegt dabei auf Gen Y und Gen Z, die aktuell sowohl die Kommunikation auf dem Arbeitsmarkt (Employer Branding) als auch beim Konsum bestimmen. In Kooperation mit Gastroberater Michael Juran unterstützen diezwei regionale Gastronomiebetriebe und Heurigen bei ihrer Transformation in Kommunikationsfragen.
1 Strive Magazin 03/2024, Seite 50
2 Food Report 2025, Hanni Rützler, Zukunftsinstitut
3 Future Menus, Die globalen Top-Trends 2024, Trendbericht Unilever Food Solutions, Seite 21
4 Werte und Einstellungen der Generation Z, PR-Trendradar, marketagent, APA, Juni 2024
Erschienen am 23. August 2024 in der ÖGZ.
Foto Credits: Adrian Almasan